Die Vordere Bremsleuchte

Gesamtdarstellung

I. Wofür eine Vordere Bremsleuchte – Einführung

1. Ausgangslage Verkehrsopferzahlen

Fast jeder Mensch nimmt jeden Tag am Straßenverkehr teil. Verkehrssicherheit wird damit zum omnipräsenten Thema. Die Verkehrssicherheitsarbeit wird dabei vielerorts durch zunehmende Verkehrsdichte immer anspruchsvoller.

Stirbt ein Mensch bei einem Verkehrsunfall, sind nach einer Studie der Verkehrssicherheits- kampagne „Runter vom Gas“ durchschnittlich 113 andere Menschen unmittelbar und teils nachhaltig betroffen, Familienangehörige, Freunde, Bekannte und Einsatzkräfte.1

Zwar tragen Verbesserungen in Infrastruktur, Fahrzeugtechnik und Rettungswesen schon heute dazu bei, dass die Zahl der im Verkehr Getöteten leicht rückläufig ist und nicht proportional zur Zunahme der Verkehrsleistung steigt.

Kehrseite dieses Fortschritts ist jedoch die Zunahme Schwerverletzter, deren Heilungsprozess und Wiedereingliederung nicht oder nur unvollkommen möglich ist. Betroffen sind dabei nicht nur schwerverletzte Unfallopfer selbst, sondern auch ihr soziales Umfeld, das meist auch auf lange Sicht mit den weitreichenden Unfallfolgen leben muss.

Direkt und indirekt betroffen durch unfallbedingte Schädelhirnverletzungen mit Hirnschädigung sind beispielsweise allein in Deutschland derzeit ca. 2,5 Mio. Menschen.2

Auf den Straßen der Welt sterben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich weltweit 1,24 Mio. Menschen.3 Die Hälfte davon sind Fußgänger, Fahrradfahrer oder motorisierte Zweiradfahrer. Des Weiteren werden bei Unfällen 20 – 50 Mio. Menschen verletzt. In Deutschland erleiden z. B. pro Jahr ca. 270.000 Menschen eine Schädelhirnverletzung (SHT).4

  • Davon etwa 1/3 (90.000) aus Verkehrsunfällen,
  • 90,9 % aller SHT sind leichte Verletzungen,
  • 3,9 % sind mittelschwer,
  • 5,2 % schwere Schädelhirntraumen.

In Deutschland versterben über 7.700 Menschen pro Jahr an den Folgen dieser Verletzungen.

Angesichts von immer noch etwa 25.300 Verkehrstoten (2017) auf den Straßen Europas, gut

135.000 Schwerverletzten und sozialen Kosten für medizinische Versorgung, Rehabilitation und Arbeitsausfälle von etwa 120 Mrd. € jährlich hat die EU es sich zum Ziel gesetzt, die Zahl der Verkehrstoten zwischen 2010 und 2020 auf etwa 16.000 zu halbieren.5 Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat DVR legt seiner Arbeit für die Verkehrssicherheit seit 2007 eine „Vision Zero“ zugrunde, die auch Schwerverletzte einschließt.6

Aber werden dazu bereits genügend Maßnahmen zur Steigerung der Verkehrssicherheit ergriffen? Die nur leicht rückläufige Entwicklung der Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten lässt dies bezweifeln.7

In Umsetzung und zur Erreichung der Zielstellung der EU ist es erforderlich, jede sich bietende Chance zu nutzen um die Verbesserung der Verkehrssicherheit zu erreichen.

2. Die Vordere Bremsleuchte – ein leicht umsetzbarer Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit

Verkehrssicherheitsarbeit im komplexen Dreiecksverhältnis zwischen Mensch, Maschine und Straße wird stets aus einem Bündel von Innovationen, Maßnahmen und Aktivitäten bestehen müssen.

Eine dieser Innovationen könnte sein – die Vordere Bremsleuchte, eine nach vorne gerichtete Lichttechnische Einrichtung, die bei Betätigung der Betriebsbremse analog und zeitgleich mit dem rückwärtigen Bremssignal aufleuchtet und anderen Verkehrsteilnehmern im vorderen Bereich des Fahrzeugs kommuniziert, dass der Fahrer bremst.

Schon 1971 entstand in den USA eine erste Studie zum Nutzen einer solchen Vorderen Bremsleuchte, bei der Privatfahrzeuge für etwa einen Monat damit ausgestattet wurden. Anschließend wurden die Teilnehmer nach ihrer Bewertung und ihren Erfahrungen in der Nutzung gefragt. Gleichzeitig wurde eine unbeteiligte Kontrollgruppe um eine Bewertung des Konzepts gebeten. Beide betrachteten die Vordere Bremsleuchte im Hinblick auf die Kommunikation mit anderen Fahrern und Fußgängern als sinnvoll. Besonders hervorgehoben wurden die Bedeutung bei eingeschränkter Umgebungsbeleuchtung (z. B. in der Nacht) sowie das bewusste Betätigen zur Kommunikation von Verhaltensabsichten.8

Darauf aufbauend, jedoch erheblich weiter gehend und länger andauernd, wurde im Jahr 2017 ein groß angelegter längsschnittlicher Feldversuch auf dem Flughafen Berlin-Tegel durchgeführt, bei dem nicht nur die Fahrer der mit einer Vorderen Bremsleuchte ausgestatteten Fahrzeuge befragt wurden, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer, die mit den ausgestatteten Fahrzeugen in Kontakt gekommen waren. Auch dieser Versuch zeigte eine breite Unterstützung und Anerkennung für das Konzept.

(Feldstudie) Tabelle 12. Offene Kommentare: Beispiele für positive Kommentare 9

KategorieBeispielkommentare
Antizipation und Reaktion (13)„Man erkennt schneller, dass das Fahrzeug bremst.“
„Man kann schneller auf das Abbremsen der anderen Verkehrsteilnehmer reagieren.“
Allgemein positive Kommentare (10)„Das war sehr gut.“
„Gute Idee.“
Sichtbarkeit (10)„Gute Sache; ich erwarte es noch positiver im Winter.“
„Die derzeit verwendete Version an Fahrzeugen blendet nicht, ist aber sehr deutlich zu erkennen.“
Sicherheitsgefühl (7)„Als Verkehrsteilnehmer fühlt man sich sicherer.“
„Die Sicherheit hat zugenommen.“
Kommunikation (3)„Verbesserte Kommunikation unter den Verkehrsteilnehmern.“
„Der Verkehrsfluss hat sich verbessert.“
Farbe (3)„Farbe fällt auf.“
Parken (1)„Die Vordere Bremsleuchte hat beim Parken geholfen.“
Sonstiges (7)„Fahrzeuge anderer Firmen sollten auch ausgestattet werden.“
„Man muss sich daran gewöhnen.“

Bereits zuvor hatten Petzoldt, Schleinitz und Banse10 im Rahmen einer Laborstudie darüber hinaus die Informationsasymmetrie zwischen Kraftfahrzeugführern und Fußgängern herausgestellt: Während dem Fahrzeugführer Informationen wie Blickrichtung und Körperhaltung des Fußgängers zur Verfügung stehen, um sich dessen Intentionen im Straßenverkehr zu erschließen, stehen dem Fußgänger – zumindest aus frontaler Sicht – kaum Indikatoren für das Verhalten des Kraftfahrers zur Verfügung. Fehlende Signalleuchten an der Frontseite von Kraftfahrzeugen machen es dem Fußgänger schwerer, ein Bremsen an Fußgängerüberwegen oder beim Abbiegen des Fahrzeuges, bei dem Fußgänger Vorrang haben, wahrzunehmen – Situationen, in denen ein Großteil der von Kraftfahrzeugen verursachten Fußgängerunfälle passieren.

Dementsprechend liegt es mehr als nahe, die Vordere Bremsleuchte als weitere, kostengünstige und zügig umsetzbare Maßnahme zur Verringerung von Unfällen in die Verkehrssicherheitsarbeit einzubinden, nicht zuletzt im Hinblick auf eine Verringerung der tatsächlichen Gefährdung von Fußgängern.

Wie alle anderen möglichen Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit ist sie daher ergebnisoffen, unter Anlegung wissenschaftlicher Maßstäbe etc., zu prüfen, um die ihr innewohnende Chance bewerten zu können.

II. Anwendungssituationen und -effekte

1. Unfallvermeidung in konkreten Situationen

Der Katalog möglicher Anwendungssituationen einer Vorderen Bremsleuchte zeigt eine Vielzahl von Fällen auf, in denen eine Vordere Bremsleuchte die Kommunikation zwischen den Verkehrsteilnehmern verbessern und damit für mehr Verkehrssicherheit sorgen würde. Dies ist keineswegs auf asymmetrische Konstellationen (z. B. Fahrzeug/Fußgänger) beschränkt, sondern auch im Verhältnis Fahrzeug/Fahrzeug hat die Vordere Bremsleuchte das Potenzial zur Vermeidung von Unfällen.

Typische Situationen, in denen eine Vordere Bremsleuchte anderen Verkehrsteilnehmern helfen würde, die Absicht des Fahrzeugs zu erkennen und damit die Verkehrssituation besser einzuschätzen, sind u. a.

  • auf Autobahnen im Stauende o. ä. über Bremsabsichten des noch auffahrenden Hintermannes,
  • an Kreuzungen beim Abbiegen, insbesondere auch gegenüber Radfahrern,
  • beim Fahrstreifenwechsel (Einscheren) gegenüber dem künftigen Hintermann,
  • in Engstellen,
  • bei der Frage nach der Bremsabsicht von Einspurfahrzeugen,
  • an Fußgängerüberwegen das Signal, ob ein Fahrzeug tatsächlich den Vorrang des Fußgängers beachtet,
  • für die Fahrer von Einsatzfahrzeugen (Rettungsfahrzeugen u. a.), die so besser erkennen können, ob ihr Sonderwegerecht von anderen Verkehrsteilnehmern berücksichtigt

Weitere Situationen und nähere Beschreibungen s. Anhang A – Katalog möglicher Anwendungssituationen.

2. Verringerung der Unfallschwere durch Warnfunktion einer Vorderen Bremsleuchte

Erwartet werden von der Vorderen Bremsleuchte nicht nur eine signifikante Vermeidung von Unfällen durch besseres Verstehen der jeweiligen Verkehrssituation, sondern ebenfalls eine signifikante Reduktion der Schweregrade der Unfälle, die weiterhin nicht vermieden werden können, durch verbesserte Reaktionsmöglichkeiten der Unfallopfer in der Unfallsituation selbst (s. Anhang B – Traumabiomechanische Stellungnahme).

3. Übernahme von Kommunikationsaufgaben im Zusammenhang mit elektrischem und/oder hochautomatisiertem Fahren

Mit zunehmendem Anteil elektrischer Antriebsformen sinkt die akustische Wahrnehmbarkeit von Kraftfahrzeugen für andere Verkehrsteilnehmer, auch hinsichtlich der Veränderung ihrer Geschwindigkeit. Dieser Wahrnehmungsverlust – ggf. in Verbindung mit altersbedingten physiologischen Veränderungen oder fehlender Erfahrung im Straßenverkehr (Kinder) – kann durch eine Vordere Bremsleuchte zumindest teilweise kompensiert werden, gerade nach vorne hin.

Auch im Zusammenhang mit hochautomatisiertem Fahren ist es erforderlich, Kommunikationssignale, die bisher durch den Fahrer selbst gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern im Vorfeld des Fahrzeugs gegeben wurden (Gestik, Mimik), anderweitig herzuleiten, da der Fahrer selbst dem Verkehrsgeschehen ggf. gar nicht folgt.11 Auch hier kann eine Vordere Bremsleuchte einen wichtigen Beitrag leisten.

4. Stressreduktion im Straßenverkehr

Zu beachten ist als weiterer, positiver Aspekt im Sinne eines „Miteinander der Verkehrsteilnehmer“,12 dass sich aus der verbesserten Kommunikation der Verkehrsteilnehmer auch eine Stressreduzierung im Verkehrsgeschehen ergibt.

Insbesondere im innerstädtischen Verkehr von Großstädten haben Verkehrsteilnehmer zeitgleich eine Vielzahl von Signalen, Bewegungen und Veränderungen wahrzunehmen und zu deuten. Auch wenn sich zunächst die Frage stellen mag, ob es sinnvoll sein kann, dieser Gemengelage eine Vordere Bremsleuchte als weiteres Signal hinzuzufügen, ist festzuhalten, dass entscheidend für das Entstehen von Stress weniger die Anzahl gleichzeitiger Signale ist, sondern u. a. die Zeit, die zur Interpretation dieser Signale benötigt wird, sowie ihre Semantik.

Hierbei ist dem Thema der Selektion, Optimierung und Kompensation als Grundprozess der Erhaltung von Handlungskompetenz – nicht zuletzt auch bei Funktionsverlusten oder Einschränkungen – besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Lässt sich mithin durch die aufgrund einer Vorderen Bremsleuchte verbesserte Kommunikation das Verhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers schneller und sicherer interpretieren, steht einem Fahrzeugführer insbesondere in vielschichtigen Situationen mehr Zeit zur Verfügung, sich stärker auf andere unklare Faktoren zu konzentrieren und diesen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Dementsprechend ist zu erwarten, dass das Gesamt-Stressgefühl sich sowohl aus der Sicht des Fahrzeugführers als auch aus der Perspektive anderer Verkehrsteilnehmer (u. a.

Fußgänger) verringert (s. Anhang C – Stressreduzierung im Straßenverkehr).

III. Technische Konzeption

Eine Vordere Bremsleuchte ist zunächst als Lichttechnische Einrichtung (LTE) im Sinne des Zulassungsrechts anzusehen, da eine Ausführung mit einer Lichtstärke unterhalb des für LTE diskutierten Schwellenwertes13 aller Voraussicht nach hinsichtlich der dann stark eingeschränkten Wahrnehmbarkeit nicht sinnvoll wäre.

1. Grün als zielführende Farbgebung

Im Rahmen der Konzeption einer neuen LTE an Kraftfahrzeugen stellt sich neben anderen stets auch die Frage nach der geeigneten Lichtfarbe. Diese Entscheidung ist sowohl nach rechtlichen, jedoch auch nach sachlichen Gesichtspunkten zu treffen.

a. Rechtslage

Aufgrund ihrer dezidierten Zuordnung zu besonderen Situationen und/oder besonderen Fahrzeugen, ihrer klaren Beschränkung in ihrem Einsatzbereich oder Zuordnung zu speziellen LTE kommen nicht in Betracht die Lichtfarben

  • Rot (darf nicht nach vorne wirken),14
  • Blau (Einsatzfahrzeugen u. ä. vorbehalten u. a. gem. 38 StVO),
  • Gelb (Gefahrenwarnung, speziellen Situationen und Fahrzeugen vorbehalten u. a. gem. 38 StVO),
  • Orange (Fahrtrichtungsanzeiger, Warnblinklicht vorbehalten gem. ECE R 48, 5.15).15

Es verbleiben damit noch die Lichtfarben Weiß und Grün.

Erstere würde angesichts der bereits in hoher Anzahl und Variationsbreite existierenden, nach vorne wirkenden weißen Lichtsignale (Abblendlicht, Fernlicht, Nebelscheinwerfer etc.) und der daraus resultierenden Uneindeutigkeit der Signalidentifizierung durch den Empfänger (Verwechslungsgefahren!), der Idee einer Vorderen Bremsleuchte zur Erhöhung der Verkehrssicherheit widersprechen.

Die Farbe Grün hingegen wird bisher für LTE an Kraftfahrzeugen nicht verwendet.16 Dementsprechend bietet sie vor dem Hintergrund einer Fahrzeugfront mit möglicherweise mehreren weißen Lichtsignalen den Vorteil der Eindeutigkeit und schnellen Signalidentifizierung.

Während die technisch ausgerichtete StVZO die Farbe Grün nicht kennt, ist sie gleichwohl im verhaltensregelnden Bereich (etwa StVO) z. B. in Form der Ampelanlage durchaus bekannt. Auch von daher bietet sich eine Harmonisierung der Vorschriften an.

b. Fachliche Gesichtspunkte

Die Einführung der Farbe Grün für eine Vordere Bremsleuchte ist auch aus weiteren fachlich-psychologischen Gesichtspunkten abzuleiten (s. Anhang D – Psychologische Wirkung der Farben Grün und Rot):

„Anhand vorliegender Studienergebnisse kann von einer Eignung der Farbe Grün für eine Vordere Bremsleuchte ausgegangen werden, da Grün von den Probanden mit Wörtern einer Vorwärtsbewegung in Verbindung gebracht wurde und die Vordere Bremsleuchte die Handlungsbereitschaft für Verhalten wie Losgehen/Losfahren bahnen soll (vgl. Erregung, Mehrabian, 1978).

Im Gegensatz dazu werden Wörter des Bremsens mit Rot in Verbindung gebracht, wodurch eine rote Vordere Bremsleuchte anderen Verkehrsteilnehmern signalisieren würde, dass sie anhalten sollen. Dies ist zum Beispiel bei herkömmlichen Bremsleuchten der Fall, die rückwertigen Fahrzeugen ein Bremsen signalisieren sollen, damit diese ebenfalls anhalten und es nicht zu einem Auffahrunfall kommt. In Verbindung mit einer Vorderen Bremsleuchte wäre dies jedoch kontraproduktiv.

Ebenso waren die Reaktionszeiten nach der Farbe Grün im Mittel geringer als die Reaktionszeiten nach der Farbe Rot, was den Aufforderungscharakter der Farbe Grün unterstreicht.“

Aus psychologischer Sicht ergibt sich als Ergebnis der zu diesem Punkt durchgeführten Studie, dass für eine Vordere Bremsleuchte die Farbe Grün anderen Farben wie Orange und Blau, aber insbesondere der Farbe Rot vorzuziehen ist.

2. Technischer Aufbau der Vorderen Bremsleuchte

a. Einbindung in die vorhandene Elektronik

Es wird davon ausgegangen, dass die Vordere Bremsleuchte gleich den hinteren Bremsleuchten geschaltet ist und damit bei ansonsten gleichen Schaltungen an dem/den Steuergerät(en) lediglich eine weitere Leuchtquelle versorgt werden muss.

Dabei sich ggf. noch stellende Detailfragen sind im Rahmen der Produktionsumsetzung zu klären, jedoch nicht relevant für die grundsätzliche Wirkungsweise, etwa

  • die Detailprüfung hinsichtlich der Leuchtstärke, um einerseits eine Sichtbarkeit bei Nacht und Nebel zu gewährleisten, andererseits aber auch Blendung zu vermeiden (ggf. in einer Ausführung als 2-Pegel-Leuchte),
  • die Auslösung der Vorderen Bremsleuchte, wenn bei Rekuperations-Bremsungen keine Betätigung des Bremspedals erfolgt
  • oder auch die Möglichkeit unterschiedlicher Signalstärken bei unterschiedlichen Bremsstärken.
b. Design

Hinsichtlich des Designs einer Vorderen Bremsleuchte sind etliche Varianten denkbar, in Abhängigkeit von Fahrzeugart und Fahrzeugdesign.

(Bilder: Lumaco Innovations AG)

 Diesbezügliche technische Details sind im Rahmen der Produktionsumsetzung zu klären.

IV. Die Vordere Bremsleuchte im Rahmen der Zielsetzungen der EU

1. Bericht des Europäischen Parlaments zur Verkehrssicherheit

In einem Initiativbericht zur Verkehrssicherheit17 hat das Europäische Parlament im November 2017 seine Zielsetzungen und Forderungen zur Verkehrssicherheit und damit verbundenen Maßnahmen übergreifend zusammengefasst.

Verstärkte Anzeige von eindeutigen Bremssignalen

Unter anderem wird dabei eine verbesserte Kommunikation der Verkehrsteilnehmer durch eine klarere Anzeige von Bremsvorgängen thematisiert:

„Das Europäische Parlament […]

  1. betont, dass zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit die Verzögerung von Fahrzeugen anderen Verkehrsteilnehmern verstärkt durch eindeutige fahrzeugeigene Lichtsignale angezeigt werden muss […].“

Auch wenn dabei aus dem Kontext heraus zunächst das Anzeigen einer Notbremsung im Vordergrund steht, wird doch klar, dass hier perspektivisch auch Lichtsignale über die bisher vorhandenen Bremsleuchten hinaus gemeint sind. Hinzu kommt, dass die Forderung im Sinne der Verkehrssicherheit offengehalten und keineswegs auf rückwärtige Signale beschränkt ist, wie es der bisherigen Rechtslage entsprochen hätte.

Damit ist der Schluss erlaubt, dass auch die Idee einer Vorderen Bremsleuchte mit den unter Nr. 37 des Berichts aufgestellten Zielsetzungen konform ist, insbesondere, da sie aufgrund der konzeptionellen Farbgebung (Grün) auch die geforderte Eindeutigkeit des Signals bietet.

2. Anforderungen an verpflichtende Fahrerassistenzsysteme

In eben diesem Bericht werden gleichzeitig die Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme erhoben, um sie verpflichtend in die aktive Verkehrssicherheitsarbeit aufzunehmen:

„Das Europäische Parlament […]

  1. betont, dass ca. 92 % aller Unfälle auf menschlichem Versagen oder auf dem Zusammenwirken von menschlichem Versagen mit dem Fahrzeug bzw. der Infrastruktur beruhen und deshalb der Einbau ausschließlich solcher sicherheitsrelevanter Fahrerassistenzsysteme verpflichtend sein sollte, die
  • einen auf wissenschaftlichen Nachweisen beruhenden, wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit leisten,
  • ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen und
  • marktreif sind;
  • vertritt darüber hinaus die Ansicht, dass der Preis eines Fahrzeugs dadurch nicht derart unverhältnismäßig steigen sollte, dass es für die jeweilige Zielgruppe unerschwinglich würde, und
  • dass Fahrerassistenzsysteme, die für die Straßenverkehrssicherheit relevant sind, regelmäßig geprüft werden sollten;“

3. Erfüllung der Kriterien der EU für verpflichtende Fahrerassistenzsysteme auch durch die Vordere Bremsleuchte

Aus dem Bericht des Europäischen Parlaments (s. o.) ist abzuleiten, dass ein System, welches den Anforderungen entspricht, in die Liste verpflichtender Assistenzsysteme aufgenommen werden zu können, den Zielsetzungen der EU entspricht.

Können demnach hochwertige, teure Fahrerassistenzsysteme, die bei verpflichtendem Einbau eine nicht geringe (finanzielle) Belastung für den Bürger bedeuten, verpflichtend vorgegeben werden, muss dies erst recht für (finanziell) günstige, niederschwelligere Systeme gelten, sofern sie ebenfalls die an höherwertige Systeme gestellten Kriterien erfüllen.

Zu prüfen ist daher zunächst, ob im konkreten Fall die Vordere Bremsleuchte die gestellten Anforderungen erfüllt.

a.     Wissenschaftliche Nachweise

Nicht oft wird der Aufwand unternommen, den Effekt einer technischen Neuentwicklung im Fahrzeugbereich auf die Verkehrsteilnehmer noch im Vorfeld einer allgemeinen Zulassung wissenschaftlich zu untersuchen.

Um die tatsächliche Wirksamkeit der Idee der Vorderen Bremsleuchte für eine Verbesserung der Verkehrssicherheit wissenschaftlich nachzuweisen, wurde ein zweistufiges Verfahren wissenschaftlicher Untersuchungen gewählt.

Den ersten Schritt bildete eine Laboruntersuchung mit Probanden anhand von Videosimulationen.

Zusammenfassung Laboruntersuchung18

„Fehlende oder fehlerhafte Kommunikation zwischen motorisierten Verkehrsteilnehmern und Fußgängern ist zweifellos einer der Faktoren, welche die nach wie vor hohe Zahl der im Straßenverkehr verunglückten Fußgänger erklären können. Eine an der Fahrzeugfront montierte Bremsleuchte, welche die Anhalteabsicht des Fahrzeugführers nach vorn kommuniziert, wäre dabei eine sehr einfache Möglichkeit, Fußgänger in der Interaktion mit motorisierten Fahrzeugen zu unterstützen. Im Rahmen einer Laboruntersuchung wurde mit Hilfe von Videomaterial geprüft, inwieweit sich eine derartige vordere Bremsleuchte auf die Identifikation von Bremsungen auswirkt. Die Ergebnisse zeigen, dass Bremsungen mit der vorderen Bremsleuchte deutlich früher identifiziert werden. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, dass in einem Szenario, in dem Bremsungen teilweise von einer vorderen Bremsleuchte angezeigt werden, die ausbleibende Aktivierung der Leuchte zu konservativerem Antwortverhalten auf Seiten der Beobachter führt. Entsprechend kann von einem positiven Effekt einer vorderen Bremsleuchte auf die Verkehrssicherheit ausgegangen werden.“

Als zweiter Schritt folgte ein groß angelegter Feldversuch auf dem Gelände des Flughafens Berlin-Tegel.

Zusammenfassung Feldstudie19

„Die Vordere Bremsleuchte erleichtert Fußgängern und anderen Verkehrsteilnehmern die Wahrnehmung kritischer Verkehrssituationen und kann so die Verkehrssicherheit erhöhen. In einer längsschnittlichen Feldstudie wurde überprüft, welche Effekte die Vordere Bremsleuchte in einem abgeschlossenen Verkehrsbereich, dem luftseitigen Teil des Flughafen Berlin-Tegel (TXL), auf die Verkehrssicherheit hat. Dafür wurden 102 Fahrzeuge für einen Zeitraum von drei Monaten mit einer Vorderen Bremsleuchte ausgestattet und 516 Mitarbeiter zu ihren Erfahrungen mit und ihrer Einstellung zu der Vorderen Bremsleuchte befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Vordere Bremsleuchte nur selten zu Situationen geführt hat, in denen sie zu Missverständnissen führte, und häufiger zu Situationen, in denen sie die wahrgenommene Verkehrssicherheit erhöhte. Die Einstellung zur Vorderen Bremsleuchte war schon in der ersten Befragung sehr positiv und verbesserte sich darüber hinaus signifikant über die drei Monate des Feldversuches. Insgesamt lassen die Ergebnisse darauf schließen, dass eine Vordere Bremsleuchte als Lichttechnische Einrichtung an Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit erhöhen kann, indem sie die Kommunikation zwischen Fahrzeugführern und anderen Verkehrsteilnehmern verbessert.“

Diese Ergebnisse wurden anschließend im Rahmen einer Presse- und Informations- veranstaltung auf dem Flughafen Berlin-Tegel öffentlich vorgestellt und mit Fachexperten der Verkehrssicherheitsarbeit diskutiert.

Die fachwissenschaftliche Veröffentlichung der Feldstudie erfolgte im Mai 2018 in der ZVS Zeitschrift für Verkehrssicherheit.20

b.     Wesentlicher Beitrag zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit

Die durchgehend positiven Ergebnisse beider Studien, sowohl bei der Verbesserung der Reaktionszeiten als auch bei der konzeptionellen Einschätzung im Feldversuch, belegen, dass die Vordere Bremsleuchte einen realen, signifikanten Beitrag zu einer verbesserten Verkehrssicherheit bedeuten könnte, indem sie Verkehrsteilnehmern hilft, potenziell kritische Verkehrssituationen schneller zu verstehen, zu vermeiden oder besser zu meistern.

Auch die komplementäre Übernahme von Kommunikationsfunktionen im Rahmen zunehmend automatisierten Fahrens (s. o.), die bisher durch den Fahrer geleistet wurden, sowie die potenzielle Verringerung von Stress (Anhang C) tragen zu einer Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit insgesamt bei.

Nicht zuletzt muss auch eine potenzielle Reduktion der Unfallschwere (s. o. und Anhang B) in biomechanischer Hinsicht als wesentliche Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit gelten, da Unfallfolgen stets einen wesentlichen Teil der Gesamtbetrachtung ausmachen.

Hinsichtlich der Übergangszeit (Fahrzeuge mit und Fahrzeuge ohne Vordere Bremsleuchte) bzw. Einführungsphase (Verkehrsteilnehmer müssen sich an die Einrichtung einer Vorderen Bremsleuchte gewöhnen und ihre Bedeutung verstehen) ist festzuhalten, dass

  • sich aus der Laborstudie ergeben hat, dass Verkehrsteilnehmer insgesamt vorsichtiger reagieren, wenn Fahrzeuge mit Vorderer Bremsleuchte überhaupt im Verkehrsgeschehen vorhanden sind und ein entsprechendes Signal ausbleibt, so dass keine spezifischen Problematiken aus der Übergangszeit heraus ersichtlich sind,
  • sich aus der Feldstudie heraus ergeben hat, dass die Idee der Vorderen Bremsleuchte einfach und leicht verstanden

Damit darf angenommen werden, dass die Erhöhung der Verkehrssicherheit im Straßenverkehr, die durch eine Vordere Bremsleuchte an Kraftfahrzeugen zu erreichen ist, nicht unwesentlich ist.

c.     Positives Kosten-Nutzen-Verhältnis

Zu erwarten sind durch die Einführung der Vorderen Bremsleuchte ein Rückgang in der Anzahl von Unfällen im Straßenverkehr sowie eine Verringerung der Schwere der Unfallfolgen (s. o.).

Dem gegenüber stehen moderate Kosten für Material (Anbindung an bestehende Steuergeräte, Software, Kabel, Leuchtmittel, ggf. eigene Leuchte), Design- und Verarbeitungsaufwand, die nach derzeitiger Einschätzung nicht über 30,- €/Fahrzeug bei Neufahrzeugen in Serienfertigung liegen dürften.21 Damit ist angesichts der Gesamtsummen im Fahrzeughandel keine signifikante Auswirkung auf das Preisniveau ersichtlich.

Jedoch sind im Rahmen der Verkehrssicherheit nicht nur Kostenbetrachtungen relevant – auch menschlich-emotionale Aspekte kommen hier zum Tragen, insbesondere das Vermeiden von menschlichem Leid im Zusammenhang mit Unfällen.

Angesichts geringer Einführungskosten pro Fahrzeug einerseits und einer erwarteten signifikanten Verringerung sowohl volkswirtschaftlicher Unfall(folge)kosten als auch emotionaler „Kosten“ andererseits, darf somit ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis der Einführung einer Vorderen Bremsleuchte angenommen werden – auch wenn, vorbehaltlich groß angelegter Studien im laufenden Verkehr, eine exakte Quantifizierung der eingesparten volkswirtschaftlichen Kosten zunächst offen bleiben muss.

Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Diskussion zunächst nicht die verpflichtende Einführung, sondern lediglich die Zulassung auf freiwilliger Basis zum Ziel hat, so dass auch an das Kosten-Nutzen-Verhältnis weniger strenge Anforderungen zu stellen sind.

d.     (Gegebene) Marktreife

Die erforderliche Technologie zur Umsetzung einer Vorderen Bremsleuchte ist vorhanden. Eine grundsätzliche Marktreife ist gegeben, da die Einführung nicht von weiteren technischen Innovationsschritten abhängig ist.

Zu klären sind lediglich Fragen der Einbindung in Fahrzeugdesigns und weitere technische Details.

e.     (Keine) finanzielle Belastung für den Bürger

Aufgrund des geringen Material- und Verarbeitungsaufwands zur Einrüstung einer Vorderen Bremsleuchte im Rahmen der Serienfertigung (s. o.) ist nicht ersichtlich, dass angesichts der Gesamtsummen im Fahrzeughandel die Verkaufspreise gegenüber dem Endverbraucher steigen müssten.

f.     (Unproblematische) Einbindung der Vorderen Bremsleuchte in die periodische Fahrzeugüberwachung

Die Vordere Bremsleuchte allein ist analog einer rückwärtigen Bremsleuchte lediglich als Lichttechnische Einrichtung (LTE) und zunächst nicht als Fahrerassistenzsystem einzustufen. Allerdings kann sie mit FAS verbunden werden.

Als „einfache“ LTE ist sie unproblematisch in den Prüfungsablauf der periodischen Fahrzeugüberwachung einzugliedern. Ein dadurch verursachter signifikanter Mehraufwand der periodischen Fahrzeugüberwachung ist nicht ersichtlich.22

4. Fazit

Nach alledem ist festzustellen, dass die Vordere Bremsleuchte auch die hohen Vorgaben erfüllt, die das Europäische Parlament für Fahrerassistenzsysteme aufgestellt hat, wenn sie verpflichtend eingebaut werden sollen.

Erst recht muss sich daraus wiederum ergeben, dass ein solches System, wenn es die Anforderungen für eine verpflichtende Vorgabe erfüllt, als „milderes Mittel“ auch auf freiwilliger Basis eingeführt werden können muss. Dazu bedarf es jedoch der grundsätzlichen Zulässigkeit im Rahmen des zulassungsrechtlichen Regelwerks.

Somit sollte bzw. muss es Ziel der EU sein, im Rahmen der selbst gesteckten Ziele zur Verkehrssicherheit die rechtlichen Voraussetzungen – europarechtlich oder im Rahmen der UN/ECE – für ein entsprechendes Typ- oder Bauartgenehmigungsverfahren der Vorderen Bremsleuchte zu schaffen.

V. Rechtlicher Rahmen einer Einführung

Lichttechnische Einrichtungen (LTE) – und damit auch eine Vordere Bremsleuchte – gehören zu den Bauteilen an Kraftfahrzeugen, deren Zulassung unter das internationale Zulassungs- recht fällt. Damit ist für sie nach der „Rahmenrichtlinie“ 2007/46/EG eine Bauart- bzw.

Typgenehmigung erforderlich.

Maßgebliche sachliche Vorschriften dazu sind VO (EG) 661/2009 i. V. m.

  • R 48 (UN)ECE für Fahrzeuge der Klassen M, N, und O,
  • R 53 (UN)ECE für Fahrzeuge der Klasse L 3,
  • VO (EU) 2015/208 Anhang XI und XII bei Fahrzeugen der Klassen T, C, R und

Das Wiener Weltabkommen über den Straßenverkehr von 1968 23 findet demgegenüber für den Bereich der Europäischen Union zwar wenig direkte Anwendung, jedoch bildet es teilweise die Grundlage von Regelungen im Rahmen der Typgenehmigung (und ihrer Änderungen), die im Regelfall auf Konformität hin validiert werden, um weltweite Akzeptanz und Verkäuflichkeit der in der EU zugelassenen Fahrzeuge zu erreichen.

Die nationalen Gesetzgebungen, wie etwa die deutsche StVZO, kommen nur noch in Einzelfällen zum Tragen und begründen keine europaweiten Zulassungsmöglichkeiten im Rahmen von Serienfahrzeugen mehr.

1. Rechtliche Einordnung einer Vorderen Bremsleuchte

Zu klären ist daher, inwieweit das vorgestellte Konzept der Vorderen Bremsleuchte mit der bestehenden Vorschriftenlage zur Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen konform ist bzw. welche Änderungen in diesen Vorschriften für die im Interesse der Verkehrssicherheit angestrebte Einführung erforderlich wären.

a. Design, Form und Anbau

Design, Form und Anbau von LTE an Kraftfahrzeugen sind in den Regelungen R 48, 53, 86 (UN)ECE detailliert definiert. Das vorgestellte Konzept der Vorderen Bremsleuchte ist hinreichend flexibel, um diese Anforderungen zu erfüllen.

b. Grün als Farbe einer LTE an Kraftfahrzeugen

Während Rot als nach vorne wirkende LTE grundsätzlich ausgeschlossen ist,24 wäre das bereits für nach vorne wirkende LTE zugelassene Weiß für eine Vordere Bremsleuchte aufgrund des „Untergehens“ im Kontext bereits bestehender Lichtsignale und der damit verbundenen Verwechslungsgefahr nicht sinnvoll.

Die Idee der Vorderen Bremsleuchte beruht daher, sowohl aufgrund ihrer positiven psychologischen Wirkung als auch ihrer Unverwechselbarkeit und damit schnellen Erfassbarkeit, in erster Linie auf einer Ausführung in der Farbe Grün (s. o. unter III.1.).

Die Farbgebung von LTE an Kraftfahrzeugen richtet sich allgemein nach der CIE-Normtafel, auf die sich sowohl das Wiener Übereinkommen als auch die entsprechende (UN)ECE R 48 bezieht. In diesen ist jedoch bisher Grün als Farbe einer LTE an Kraftfahrzeugen nicht definiert.25

Damit besteht das Erfordernis, auch Grün als Farbe für LTE an Kraftfahrzeugen zu definieren und somit zuzulassen.

Insoweit im Rahmen des Zulassungsrechts vorgegeben ist, dass das Licht der LTE, die dieselbe Aufgabe haben und in dieselbe Richtung wirken, dieselbe Farbe haben muss, ist dies hier unproblematisch.26

Vielmehr lässt sich dem im Umkehrschluss entnehmen, dass LTE auch mit derselben Aufgabe eben gerade nicht dieselbe Farbe haben müssen, wenn sie in unterschiedliche Richtungen wirken. Von daher wäre ein gleichzeitiges Vorhandensein und Funktionieren einer Vorderen Bremsleuchte in Grün mit hinteren Bremsleuchten in Rot zulässig.

c. Bremssignal in vordere Richtung

Bremsleuchten sind bisher definiert als „Leuchten, die dazu dienen, anderen Verkehrsteilnehmern hinter dem Fahrzeug anzuzeigen, dass […]“.27

Damit ergibt sich also zusätzlich die Notwendigkeit, entweder den Begriff der Bremsleuchte im Regelwerk zu erweitern oder das Konzept der Vorderen Bremsleuchte unter einem anderen Ansatz als zusätzliches System einzubinden (s. u. zu Perspektiven).

2. Mögliche legislative Umsetzung

Zur zulassungsrechtlichen Umsetzung des Konzeptes einer Vorderen Bremsleuchte im Rahmen der Zielsetzungen der EU zur Verkehrssicherheitsarbeit sind somit legislative Anpassungen erforderlich.

a. Überschaubare erforderliche Veränderungen

Erforderlich ist dabei ein überschaubarer Rahmen von im Wesentlichen zwei Änderungen:

  • Grün muss als Farbe von LTE an Kraftfahrzeugen zugelassen
  • Bremssignale müssen auch nach vorne abgegeben werden dürfen.

Idealerweise würden diese Schritte international vereinbart, auf Ebene des Wiener Übereinkommens. Dies erscheint jedoch aufgrund der Vielzahl an Verhandlungspartnern in einem den Zielsetzungen der EU zur Verringerung der Zahl der Verkehrstoten angemessenen Zeitrahmen unrealistisch.

Gleiches gilt zunächst für eine entsprechende Veränderung im Rahmen des (UN)ECE- Regelwerks, auch wenn die Möglichkeiten hier als erheblich aussichtsreicher anzusehen sind.

Nach nationalen Regelwerken können hingegen zwar noch Ausnahmegenehmigungen erteilt werden, etwa gem. § 70 der deutschen StVZO zu Erprobungszwecken und

Forschungsprojekten, jedoch keine serienweise Einführung einer LTE mehr begründet werden.

Als sinnvoll und aussichtsreich, um den Gewinn an Sicherheit für Verkehrsteilnehmer in der EU durch das Konzept Vordere Bremsleuchte möglichst bald erreichen zu können, erscheint damit insbesondere der Weg der EU-eigenen Gesetzgebung. Dementsprechend wäre anzustreben – den entsprechenden politischen Willen vorausgesetzt –, die o. g. Änderungen als EU-spezifische Erweiterungen im Rahmen der jeweiligen Anwendungsbestimmungen der o.g. (UN)ECE-Regelungen für den EU-Raum umzusetzen.

b. Erforderliche Schritte

Mit seinem Initiativ-Bericht zur Verkehrssicherheit hat das EU-Parlament Zielsetzungen für die künftige Verkehrssicherheitsarbeit vorgelegt, zu denen die EU-Kommission als Exekutive Stellung beziehen und ggf. Maßnahmen zur Umsetzung vorschlagen wird.28

Das Initiativrecht für EU-Regelungen liegt in der Regel bei der EU-Kommission. Damit müsste eine Erweiterung der Anwendungsbestimmungen zu lichttechnischen Zulassungsregelungen durch die EU-Kommission initiiert und umgesetzt werden. Der weitere Fortgang entspräche dann dem regulären Vorgehen im Rahmen von EU-Verordnungen und

-Richtlinien.

Die exakte Definition der zu ändernden bzw. zu erweiternden Passagen der betroffenen Vorschriften – einschließlich etwaiger Änderungsvorschläge – ist im Rahmen einer juristisch- technischen Überprüfung des Regelwerks festzulegen, spiegelbildlich zu einem Homologationsverfahren.

3. Weitere Fragen und Perspektiven

Im Zusammenhang mit einer tatsächlichen Einführung der Vorderen Bremsleuchte im realen Verkehr sind zudem weiter gehende Fragestellungen absehbar und – in Ansehung der laufenden technischen Fortentwicklung von Fahrerassistenzsystemen – auch weiter gehende Perspektiven.29

a. Intuitives Verständnis im Normalverkehr

Possibly, for safety reasons, it might be necessary to clarify again whether the system of the Front Brake Light is, in fact, intuitively understood even in normal traffic, i.e. not only under the special conditions of a non-public road network.

In doing so, suitable upper and lower limit values of the display must be taken into account and the question be clarified as to how delays in regenerative braking systems should be displayed. Basically, the method used should be analogous to that used for rear brake lights.24

b. No liability for the overall situation

Unlike some previous discussions on the use of the rear brake light, instead of gestures, as a means of indicating precedence to other road users,25 the present conception of the Front Brake Light is solely as an aid to other drivers in dealing with complex traffic situations and, in no way, obviates their responsibilities to drive safely. According to current design and analogous to existing rear brake lights, the Front Brake Light represent only forward-looking information that the vehicle is slowing but provides no assurance that it will come to a timely halt.

It should be ensured that its function cannot be interpreted differently at the legal level.

c. Further development in connection with emergency braking systems

Ggf. könnte aus Sicherheitsgründen nochmals abzuklären sein, ob das System der Vorderen Bremsleuchte auch im Normalverkehr tatsächlich intuitiv verstanden wird, also nicht nur unter den speziellen Bedingungen eines geschlossenen Werksverkehrs.

Dabei sind auch geeignete obere und untere Grenzwerte der Anzeige zu beachten und die Frage zu klären, wie Verzögerungen bei Rekuperationssystemen angezeigt werden sollen.

Grundsätzlich sollte dies analog zu rückwärtigen Bremslichtern erfolgen.30

d. Keine Haftungsübernahme für die Gesamtsituation

Mit dem Signal der Vorderen Bremsleuchte nach derzeitiger Konzeption soll – anders als im Rahmen der Gestik des Vorrang Gewährens bzw. einer bereits früher geführten vergleichbaren Diskussion um rückwärtige Signalleuchten, die eine Überholmöglichkeit anzeigen sollten31 – nicht verbunden sein, dass das anzeigende Fahrzeug bzw. sein Fahrer gegenüber dem Adressaten die Verantwortung für eine insgesamt gefahrlose Situation und damit auch für das Verhalten Dritter übernehmen will und übernimmt.

Ebenfalls kann die Vordere Bremsleuchte – nach derzeitiger Konzeption und analog zu bestehenden hinteren Bremsleuchten – lediglich eine nach vorne gerichtete Information darstellen, dass ein Fahrzeug verzögert, jedoch ohne Zusicherung, dass dieses auch rechtzeitig zum Stehen kommen wird.

Gesichert sein sollte, dass dies auf juristischer Ebene nicht anders interpretiert werden kann.

d. Mögliche Weiterentwicklung zum Rundumsignal

Inwieweit mit der Überlegung unter vorstehend c. auch eine Klärung komplexerer Verkehrssituationen mit mehr als zwei Verkehrsteilnehmern und damit eine Signalwirkung für eine Gesamtsituation verbunden sein kann, hängt in erster Linie von der weiteren Entwicklung dieser lagebilderstellenden Systeme ab.

Ebenfalls denkbar ist vor dem Hintergrund verbesserter Kommunikation und Wahrnehm- barkeit, sowohl im Rahmen des Ersetzens von Fahrergestik beim hoch automatisierten Fahren als auch angesichts vermehrter Ablenkungen von Fußgängern (Smartphones etc.), eine Weiterentwicklung der Konzeption hin zu einem Rundumsignal.

Dieses müsste auch im peripheren Sehen wahrgenommen werden können und würde dann als Signal der Willensbekundung nicht nur Bremsvorgänge, sondern auch Beschleunigungsvorgänge anzeigen.

VI. Meilensteine und erste Vorstellung in der Fachwelt

Mit Beginn der Durchführung der Studien und verstärkt ab Anfang 2018 wurde die Idee einer Vorderen Bremsleuchte bereits Fachexperten aus der Verkehrssicherheitsarbeit in Deutschland vorgestellt, mit ihnen diskutiert und konkrete Ergebnisse dieses Austauschs als Bestandteile dieses Berichts verwendet (Details s. Anhang E – Meilensteine).

Es ist festzuhalten, dass die Idee der Vorderen Bremsleuchte – analog zu den im Feldversuch beobachteten Reaktionen der dort Befragten – nach mehr oder weniger Erklärungsbedarf durchwegs verstanden und fast immer positiv gesehen wurde.

Literaturverzeichnis

  • Banse, R., Keidel, K., Monzel, M., Kirschbaum, B., Schubert, W.: „Feldstudie zur Erprobung einer Vorderen Bremsleuchte am Flughafen Tegel“, Forschungsbericht Bonner Institut für Rechts- und Verkehrspsychologie 2018; also published in ZVS Zeitschrift für Verkehrssicherheit 3/2018, S. 210 ff.
  • Braun, H., Damm, R., Konitzer, H. in: § 49 a Rdnr. 34 und § 53 Rdnr. 24, StVZO Technischer Kommentar, Kirschbaum Verlag 2018, Bonn.
  • Koch, Dieter-L., P8_TA-PROV(2017)0423; Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. November 2017 zu dem Thema „Rettung von Menschenleben: Mehr Fahrzeugsicherheit in der EU“ 2017/2085(INI), u. a. in: ZVS Zeitschrift für Verkehrssicherheit 1/2018, S. 45 ff.
  • Konitzer, H., Theis, C., Wehrmeister, J.: FEE Fahrzeugtechnik EWG/EU/ECE, Kirschbaum Verlag 2018, Bonn.
  • Krautscheid, R., Janke, S.: „Gutachten zur Implementierung einer Vorderen Bremsleuchte“, Forschungsbericht Bonner Institut für Rechts- und Verkehrspsychologie 2017.
  • Petzoldt, T., Schleinitz, K., Banse, R.: „Laboruntersuchung zur potenziellen Sicherheitswirkung einer vorderen Bremsleuchte in Pkw“, in: ZVS Zeitschrift für Verkehrssicherheit 1/2017, S. 19 ff.
  • Post, D.V., Mortimer, R.G.: Subjective evaluation of the front-mounted braking signal.
  • Technical Memorandum HuF-TM-1, Highway Safety Research Institute. The University of Michigan, Ann Arbor.

  1. Repräsentative Erhebung durch infratest dimap, Kantar Public und das Sozioökonomische Panel (SOEP), nach Angaben der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPOL) und des Deutschen Feuerwehrverbands (DFV), s. www.runtervomgas/Presse, Meldung v. 16.5.2017.
  2. Kay Nehm, Präsident Deutscher Verkehrsgerichtstag, in: „Informationen für Verkehrsunfallopfer“ ZNS – Hannelore Kohl Stiftung, Bonn 2018.
  3. WHO (2013): Global Status Report on Road Safety, http://www.who.int/violence_injury_prevention/road_safety_status/2013/en.
  4. ZNS – Hannelore Kohl Stiftung, 2018
  5. Violeta Bulc, EU-Kommissarin für Verkehr, in: „EU-Kommissarin setzt auf automatische Notbremssysteme“, Die Welt vom 10.4.2018, www.welt.de.
  6. S. www.dvr.de.
  7. S. Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, Pressemeldung v. 28.3.2017, www.ec.europa.eu.
  8. Post, D.V. & Mortimer, R.G.: Subjective evaluation of the front-mounted braking signal. Technical Memorandum HuF-TM-1, Highway Safety Research Institute. The University of Michigan 1971, Ann Arbor.
  9. Banse, R., Keidel, K., Monzel, M., Kirschbaum, B., Schubert, W.: Forschungsbericht „Feldstudie zur Erprobung einer Vorderen Bremsleuchte am Flughafen Tegel“, Bonner Institut für Rechts- und Verkehrspsychologie, Januar 2018.
  10. Petzoldt, T., Schleinitz, K., Banse, R.: „Laboruntersuchung zur potenziellen Sicherheitswirkung einer vorderen Bremsleuchte in Pkw“, in: ZVS Zeitschrift für Verkehrssicherheit, 1/2017, S. 19 ff.
  11. Diese Diskussion wird im Rahmen der Einführung des hochautomatisierten/autonomen Fahrens noch eine wichtige Rolle spielen.
  12. Rücksichtnahme der Verkehrsteilnehmer aufeinander ist ein zentraler Wert der Straßenverkehrsordnung (§ 1 Abs. 1 StVO).
  13. Dieser Schwellenwert ist nicht eindeutig festgelegt, da die entsprechende Einstufung im Regelfall auf den Einzelfall bezogen erfolgt; in der Regel wird dabei jedoch ein Wert von 0,5 – 1 candela (entspricht etwa einer Haushaltskerze) angenommen.
  14. Gem. ECE-R 48, Rdnr. 5.10 ff., in: FEE Fahrzeugtechnik EWG/EU/ECE, Kirschbaum Verlag 2018, Bonn; Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr 1968.
  15. Ebd.
  16. Nicht definiert gem. Anhang 5 Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr 1968.
  17.  Auszug aus: P8_TA-PROV(2017)0423; Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14.11.2017 zu dem Thema „Rettung von Menschenleben: Mehr Fahrzeugsicherheit in der EU“ (2017/2085(INI), s. a. ZVS 1/2018, S. 46.
  18. Petzoldt, T., Schleinitz, K., Banse, R.: „Laboruntersuchung zur potenziellen Sicherheitswirkung einer vorderen Bremsleuchte in Pkw“, in: ZVS Zeitschrift für Verkehrssicherheit, Heft 1/2017, S. 19 ff.
  19. Banse, R., Keidel, K., Monzel, M., Kirschbaum, B., Schubert, W.: Forschungsbericht „Feldstudie zur Erprobung  einer Vorderen Bremsleuchte am Flughafen Tegel“, Bonner Institut für Rechts- und Verkehrspsychologie, Januar 2018.
  20. Banse, R., Keidel, K., Monzel, M., Kirschbaum, B., Schubert, W.: „Feldstudie zur Erprobung einer Vorderen Bremsleuchte am Flughafen Tegel“, ZVS Zeitschrift für Verkehrssicherheit, Heft 3/2018, S. 210 ff., Kirschbaum Verlag, Bonn.
  21. Beratung mit Herrn Mag. Lubomir Marjak, Lumaco Innovations GmbH.
  22. Hintergrund: LTE werden im Rahmen der Fahrzeugüberwachung auch digital überprüft.
  23. Wiener Übereinkommen, BGBL. 1977 II S. 809 ff., www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19680244/index.html (Zugriff 21.5.2018).
  24. FEE, (UN)ECE R 48, Rdnr. 5.10, 5.10.1. i. V. m. Anhang 4.
  25. FEE, (UN)ECE R 48, Rdnr. 29 ff.; Wiener Übereinkommen, ebd., Anhang V, Kap. 2, Rdnr. 20 i. V. m. Anlage zu Anhang V.
  26. Wiener Übereinkommen ebd., Anhang 5, Kap. 2, Rdnr. 44.
  27. FEE, (UN)ECE R 48 Rdnr. 2.7.12; Wiener Übereinkommen, ebd., Anhang 5, Kapitel 2, Rdnr. 19.
  28. P8_TA-PROV(2017)0423; Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14.11.2017 zu dem Thema „Rettung von Menschenleben: Mehr Fahrzeugsicherheit in der EU“ (2017/2085(INI).
  29. Ergebnisse aus diversen Gesprächen mit Fachexperten.
  30. Krautscheid, R., Janke, S.: „Gutachten zur Implementierung einer Vorderen Bremsleuchte“, Forschungsbericht Bonner Institut für Rechts- und Verkehrspsychologie 2017, S. 22 ff.
  31. Zu dieser Diskussion vgl. Braun, H., Damm, R., Konitzer, H. in: § 49 a Rdnr. 34 und § 53 Rdnr. 24, StvZO Technischer Kommentar, Kirschbaum Verlag, Bonn.
  32. Krautscheid, R., Janke, S., ebd., S. 28 ff.