Die Vordere Bremsleuchte

Psychologische Wirkung der Farben Grün und Rot

Kristof Keidel, Merlin Monzel und Rainer Banse
Bonner Institut für Rechts- und Verkehrspsychologie
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

März 2018

„Das Blau, als eine entgegengesetzte Bewegung, bremst das Gelb, wobei schließlich bei weiterem Hinzufügen von Blau beide entgegengesetzte Bewegungen sich gegenseitig vernichten und volle Unbeweglichkeit und Ruhe entsteht. Es ist Grün.“

Dieses Zitat von Kandinsky, welches im Handbuch des Lüscher-Farbtests (Lüscher, 1949) aufgeführt ist, steht sinnbildlich für die Assoziationen, die mit der Farbe Grün geweckt werden: Calm, peaceful und serene (Wexner, 1954). Gleichzeitig macht es aber auch auf das Problem aufmerksam, das laut Valdez und Mehrabian (1994) die bisherige Erforschung der psychologischen Wirkung von Farben erschwert hat: Es wurden bisher kaum empirische Herangehensweisen genutzt, um die psychischen Auswirkungen von farbigen Stimuli reliabel und valide zu messen. Stattdessen findet man viele alltagspsychologische Anmutungen und rein spekulative Behauptungen.

Des Weiteren konnten Valdez und Mehrabian (1994), Gorn, Chattopadhyay, Yi und Dahl (1997) sowie Suk und Irtel (2010) zeigen, dass dem eigentlichen Farbton weniger Bedeutung als der Helligkeit und der Sättigung der Farbe zukommt. Werden diese Einflüsse jedoch kontrolliert, zeigen die empirischen Daten ein den alltagspsychologischen Feststellungen widersprechendes Bild: Valdez und Mehrabian (1994) ließen Probanden verschiedene Farben auf den Pleasure-Arousal-Dominance Scales (PAD, Mehrabian, 1978) bewerten und zeigten, dass Grün als erregender als zum Beispiel Rot oder Gelb wahrgenommen wird.

Wilms und Oberfeld (2014) zeigten zudem, dass dieser Effekt größer wird, je gesättigter das Grün dargeboten wird. Bezüglich der Dimension Pleasure konnte Grün höhere Werte als Rot und Gelb, bezüglich der Dimension Dominance höhere Werte als Rot erzielen.

Ausgehend von diesen Ergebnissen könnte man darauf schließen, dass Grün aufgrund seiner erregenden und dominanzinduzierenden Wirkung durchaus als Farbe für die Vordere Bremsleuchte infrage kommt, da diese einen Bremsvorgang anzeigt und den anderen Verkehrsteilnehmern somit signalisiert, dass sie sich bald in Bewegung setzen können. Nicht umsonst wird in den meisten Ländern der Erde in Ampelanlagen Grün als Signal für das Losfahren beziehungsweise Losgehen genutzt. Ein entsprechendes intuitives Wissen über eine grüne Vordere Bremsleuchte könnte somit vorausgesetzt werden. Nichtsdestotrotz ist es ratsam, die Wirkung der Farbe Grün im Straßenverkehr auch anhand von empirischen Daten zu prüfen.

Chen, Chang, Chang und Lai (2007) konnten zum Beispiel zeigen, dass Autofahrer an Ampeln, die mit einer grünen Countdownvorrichtung versehen waren, zügiger beschleunigten als an Ampeln, an denen rote Countdownvorrichtungen angebracht waren. Auch dieses Ergebnis zeigt, dass Grün im Straßenverkehr stärker als Startsignal wahrgenommen wird als Rot. Einen zumindest indirekten Bezug zur Verkehrssicherheit haben Studienergebnisse von Elliot, Maier, Moller, Friedmann und Meinhardt (2007). In einer Anagrammaufgabe, die unter anderem Konzentrationsfähigkeit erfasst, machten Probanden weniger Fehler, wenn sie grünem statt rotem Licht ausgesetzt waren. Wenn grünes Licht die Konzentrationsfähigkeit erhöht, könnte dieses einer falschen Interpretation des Signals einer grünen Vorderen Bremsleuchte vorbeugen und somit die Verkehrssicherheit erhöhen. Elliot et al. (2007) brachten die Farbe Grün auch mit dem Konstrukt der Annäherungsmotivation in Verbindung, wodurch eine grüne Vorderen Bremsleuchte eine Annäherung an eine verkehrskritische Situation erleichtern und deren korrekte Lösung begünstigen könnte.

A. Studie zu verkehrsbezogenen Assoziationen der Farben Grün und Rot

Angesichts der spärlichen Literatur zu wahrnehmungs- und verkehrspsychologischen Aspekten der Farbe Grün wurde eine eigene empirische Studie durchgeführt, die den inhaltlichen Kern des Problems, nämlich die Assoziation der Farben Grün und Rot mit

verkehrsbezogenen Inhalten untersuchen sollte. Zu diesem Zweck wurde ein sequentielles Priming-Paradigma genutzt. Es wurde angenommen, dass Probanden schneller auf „Los“- Wörter reagieren, die mit einer Startoder Vorwärtsbewegung assoziiert sind, wenn ihnen vorher die Farbe Grün präsentiert wurde, als wenn ihnen vorher die Farbe Rot präsentiert wurde (Hypothese 1).

Umgekehrt sollten Probanden auf „Stopp“-Wörter, die mit einem Bremsvorgang assoziiert sind, dann schneller reagieren, wenn ihnen vorher die Farbe Rot präsentiert wurde, als wenn ihnen vorher die Farbe Grün präsentiert wurde (Hypothese 2). Ebenso sollte es sich mit der Fehlerrate verhalten: Bei einer Präsentation der „Los“-Wörter nach der Farbe Grün sollten weniger Fehler gemacht werden als bei einer Präsentation der „Los“-Wörter nach der Farbe Rot (Hypothese 3) und umgekehrt sollten bei einer Präsentation von „Stopp“-Wörtern nach der Farbe Rot weniger Fehler gemacht werden als bei einer Präsentation nach der Farbe Grün (Hypothese 4). Die Präsentation der Farben Orange und Blau sollten aufgrund fehlender Assoziationen mit „Los“- und „Stopp“-Inhalten geringere Effekte als Grün bei „Los“ und Rot bei „Stopp“ aufweisen (Hypothese 5) und wurden als Kontrollbedingung erhoben.

B. Methode

Stichprobe. Insgesamt nahmen 29 Probanden1 an der Online-Studie teil, davon waren 14 weiblich und 15 männlich. Sie waren zwischen 20 und 59 Jahre alt (M = 28.93, SD = 12.57). Der Bildungsstand war auf einem hohen Niveau: 14 Probanden gaben Abitur/Fachabitur sowie 15 einen Hochschulabschluss an.

Priming-Paradigma. Als Prime-Stimuli wurden vier verschiedenfarbige Quadrate (grün, rot, blau und orange) verwendet. Die Größe der Quadrate wurde anhand der Bildschirmgröße bestimmt, wobei Höhe und Breite der Quadrate jeweils durch 40 % der Bildschirmhöhe definiert wurden. Einflüsse von Sättigung und Helligkeit wurden konstant gehalten, indem gleiche Werte für sämtliche Farben verwendet wurden (Sättigung: 100 %, Helligkeit: 100 %). Die Target-Stimuli waren Wörter der Kategorien „Los“ (anfahren, beschleunigen losgehen, losfahren, starten) und „Stopp“ (anhalten, bremsen, verzögern, halten, stoppen), die jeweils in schwarzer Schrift (2.50 % der Bildschirmhöhe) präsentiert wurden.

Die Probanden wurden instruiert, so schnell wie möglich auf jedes angezeigte Wort zu reagieren, aber möglichst wenig Fehler zu machen. Für „Los“-Wörter sollten sie die „x“-Taste und für „Stopp“-Wörter die „m“-Taste beziehungsweise umgekehrt für „Los“-Wörter die „m“- Taste und für „Stopp“-Wörter die „x“-Taste betätigen. Die Tastenbelegung wurde konterbalanciert. Die Probanden wurden außerdem darauf hingewiesen, dass vor jedem Wort eine Farbfläche aufleuchten würde, die sie jedoch ignorieren sollten.

Die Reize wurden in insgesamt zwölf Blöcken dargeboten, wobei jeder Block 40 Trials umfasste. Zwischen jedem Block hatten die Probanden die Möglichkeit, eine Pause einzulegen und wurden danach erneut an die für sie relevanten Tasten-Wort-Kombinationen erinnert. Die 40 Trials in jedem Block bestanden aus einer zufälligen Kombination von einem der vier Prime-Bilder und einem der zehn Target-Wörter (Ziehung ohne Zurücklegen), sodass sich für jeden Block je vier Trials pro kombinierte Bedingung (Farbe und „Los“ bzw. Farbe und „Stopp“) ergaben. Nach einer Pause von 310 ms wurde der jeweilige Prime für jeweils 125 ms dargeboten, bevor das Target erschien. Das Target wurde solange angezeigt, bis eine Reaktion erfolgte. Im Fall einer falschen Zuordnung wurde für 200 ms ein rotes Fehlerkreuz angezeigt. Nach jedem Trial folgte eine Pause von 100 ms, bevor der nächste Trial begann.


1 Die Gesamtanzahl der Datensätze betrug 33. Aufgrund von unvollständigen Daten und/oder zu hohen Fehlerraten eigneten sich jedoch nur 29 für die spätere Datenanalyse.

Manipulation Check. Um Farbfehlsichtigkeiten oder andere Sehschwächen auszuschließen, wurden den Probanden die vier Farbprimes dargeboten und sie wurden gebeten, die Farben der Quadrate (grün, rot, blau und orange) zu bestimmen.

Ablauf. Der Erhebungszeitraum erstreckte sich vom 22.02.2018 bis zum 27.02.2018. Die Studie wurde online mittels der Software Inquisit (https://www.millisecond.com/) durchgeführt. Nachdem die Probanden sich zur Teilnahme an der Studie bereiterklärt und die demographischen Fragen (Geschlecht, Alter, Bildungsstand) beantwortet hatten, folgte das Priming-Paradigma. Zum Abschluss wurde die Farbidentifikationsaufgabe als Manipulation Check durchgeführt. Die Dauer der Studie betrug ca. 15 Minuten.

Datenanalyse. Zunächst wurden die Antworten in der Farbidentifikationsaufgabe betrachtet, um einen Einfluss potenzieller Sehschwächen auszuschließen. Im Anschluss wurden die Mittelwerte der Reaktionszeiten (ms) und Fehler (%) in den zwölf Blöcken verwendet, um baselinebereinigte Differenzscores aus kompatiblen und inkompatiblen Trials zu bilden, anhand derer Reliabilitäten bestimmt werden konnten. Trials mit Reaktionszeiten unter

250 ms und über 1500 ms wurden ausgeschlossen. Für die Baseline wurden Mittelwerte der Trials mit den Farben Orange und Blau gebildet. Die Hypothesen wurden anhand einer Messwiederholungs-ANOVA mit anschließenden Post-hoc-t-Tests überprüft.

C. Ergebnisse

Reliabilitäten und Farbcheck. Da kein Fehler in der Farbidentifikationsaufgabe gemacht wurde, ist davon auszugehen, dass die Ergebnisse der Studie nicht durch Farbfehlsichtigkeiten beeinflusst wurden. Cronbachs Alpha der einzelnen Reaktionszeiten lag bei   αRT = .84, Cronbachs Alpha der Fehlerraten bei αER = .59.

Reaktionszeiten. Ein Haupteffekt der Targets wurde signifikant (F(1, 28) = 20.75, p < .001, η² = .43), wobei die Reaktionszeiten in der „Los“-Bedingung (M = 608.69, SD = 107.12) geringer als in der „Stopp“-Bedingung (M = 633.98, SD = 109.71) ausfielen. Für die Farbe konnte ebenfalls ein Haupteffekt gefunden werden (F(3, 84) = 3.82, p = .013, η² = .12,

ε = .84), wobei die Reaktionszeiten für Grün am geringsten (M = 612.42, SD = 102.21) und für Rot (M = 625.37, SD = 110.03) am höchsten ausfielen. Orange (M = 622.86,

SD = 113.20) und Blau (M = 624.70, SD = 107.68) lagen wie erwartet im mittleren Bereich. Post-hoc-t-Tests wurden nur für den Mittelwertunterschied zwischen Grün und Rot signifikant (t(28) = −2.94, p = .007, dRM = 0.58). Der kritische Test der Hypothesen 1 und 2 besteht in einem Interaktionseffekts zwischen Targetworten und Farben, der auf entgegengesetzten Effekten der roten und grünen Primes auf die Reaktionszeit bei „Los“ und „Stopp“-Worten beruht. Wie erwartet war dieser Interaktionseffekt statistisch signifikant und wies eine große Effektstärke auf (F(3, 84) = 9.97, p < .001, η² = .26). Nach Primes der Farbe Rot wurde besonders schnell auf „Stopp“-Wörter (M = 621.75, SD = 117.34) und besonders langsam auf „Los“-Worten (M = 628.99, SD = 106.56) reagiert. Umgekehrt wurde nach Primes der Farbe Grün besonders schnell „Los“-Wörter (M = 591.30, SD = 109.31) und besonders langsam auf „Stopp“-Wörter. (M = 633.54, SD = 100.05) reagiert (Abbildung 1).

Abb. 1: Mittlere Reaktionszeiten (ms) in Abhängigkeit von Farbprime und Worttarget.

Bei einem post-hoc Vergleich der einzelnen experimentellen Bedingungen unterscheiden sich die Reaktionszeiten zwischen den grünen und roten Primes nur in der „Los“-Bedingung (t(28) = −5.44, p < .001, dRM = 1.02), nicht in der „Stopp“-Bedingung (t(28) = 1.46, p = .078, dRM = 0.30) signifikant voneinander.

Fehlerraten. Wie schon bei den Reaktionszeiten wurde ein Haupteffekt der Targets (F(1,

28) = 26.50, p < .001, η² = .49), ein Haupteffekt der Farbe (F(3, 84) = 3.17, p < .028, η² = .10) sowie der kritische Interaktionseffekt zwischen Target und Farbe (F(3, 84) = 10.51, p < .001, η² = .27) gefunden. Die Probanden machten in der „Los“-Bedingung (M = 0.05, SD = 0.03) durchschnittlich weniger Fehler als in der „Stopp“-Bedingung (M = 0.10, SD = 0.06).

Bezüglich der Farbe wurden am wenigsten Fehler in den Trials mit der Farbe Blau (M = 0.07, SD = 0.04) und am meisten Fehler in den Trials mit der Farbe Grün (M = 0.09, SD = 0.05) gemacht. Trials mit den Farben Orange (M = 0.07, SD = 0.04) und Rot (M = 0.08, SD = 0.05) lagen im mittleren Bereich. Der Mittelwertunterschied zwischen Grün und Rot wurde nicht signifikant (t(28) = 1.53, p = .069, dRM = 0.56). Die Farben Grün und Rot wirkten sich wie erwartet gegensätzlich auf die Fehlerrate in den „Stopp“ und „Los“ Bedingungen aus, und die Unterschiede zwischen roten und grünen Primes waren in allen Bedingungen statistisch signifikant (n der „Los“-Bedingung (t(28) = -3.75, p < .001, dRM = 0.73, in der „Stopp“- Bedingung (t(28) = 4.25, p < .001, dRM = 0.83), wobei in der „Los“-Bedingung wie erwartet geringere Fehlerraten für Grün (Grün: M = 0.04, SD = 0.03; Rot: M = 0.07, SD = 0.05) und in der „Stopp“-Bedingung geringere Fehlerraten für Rot (Grün: M = 0.13, SD = 0.08; Rot:

M = 0.08, SD = 0.06) gefunden wurden (vgl. Abbildung 2).

Abb. 2: Mittlere Fehlerraten (%) in Abhängigkeit von Farbprime und Worttarget.

D. Diskussion

Sämtlichen Probanden war es gelungen, die dargebotenen Farben in der Farbidentifikationsaufgabe richtig zu identifizieren, weswegen kein Proband aufgrund einer Farbfehlsichtigkeit ausgeschlossen werden musste. Die Reliabilitäten der baselinebereinigten Differenzscores der Reaktionszeiten waren hoch, die Realibilitäten der baselinebereinigten Differenzscores der Fehlerraten vergleichsweise niedrig. Dies könnte auf eine von den Probanden häufig berichtete unsystematische Verwechslung der Targets

„anhalten“ und „anfahren“ zurückzuführen sein. Zudem wurden insgesamt wenig Fehler gemacht, was die Varianz innerhalb der Reliabilitätsbestimmung zusätzlich eingeschränkt haben dürfte.

Sowohl die Ergebnisse bezüglich der Reaktionszeiten als auch die Ergebnisse bezüglich der Fehlerraten lieferten signifikante Haupteffekte für die Faktoren Target und Farbe: Die Probanden reagierten bei „Los“-Targets schneller und machten weniger Fehler als bei

„Stopp“-Targets, was aufgrund des Aufforderungscharakters der „Los“-Wörter theoretisch sinnvoll erscheint. Die Reaktionszeiten nach der Farbe Grün waren im Mittel geringer als die Reaktionszeiten nach der Farbe Rot, was den Aufforderungscharakter der Farbe Grün unterstreicht. Gleichzeitig wurden für die Farben Grün und Rot die meisten Fehler gefunden, was Elliot et al. (2007) zwar widerspricht, jedoch auf die inkompatiblen Bedingungen zurückzuführen ist, wohingegen es bei den Farben Orange und Blau keine inkompatiblen Kombinationen aufgrund von vorbestehenden Assoziationen gab. Bei „Los“-Targetworten reagierten die Probanden schneller (Bestätigung Hypothese 1) und machten weniger Fehler (Bestätigung Hypothese 3), wenn ihnen zuvor die Farbe Grün präsentiertt wurde, als wenn zuvor die Farbe Rot präsentiert wurde (vgl. Chen et al., 2007). Dies lässt sich anhand der Erfahrungen der Probanden im Alltag (z. B. im Straßenverkehr) erklären: Während Grün als Signal für Sicherheit und als Aufforderung zum Losgehen/Losfahren verstanden wird, ist Rot mit der Wahrnehmung von Gefahr und einem Verhaltensstopp verbunden (Pravossoudovitch, Cury, Young, & Elliot, 2014). Die Reaktionszeiten und Fehlerraten bei „Los“-Wörtern nach grünen Primes waren darüber hinaus auch kleiner als nach blauen oder orangen Primes, was die Bedeutung der Farbe Grün als Sicherheitssignal auch im Vergleich zu anderen Farben als Rot hervorhebt.

Im Gegensatz dazu reagierten Probanden bei „Stopp“-Wörtern nicht schneller, wenn ihnen zuvor die Farbe Rot gezeigt wurde, als wenn ihnen zuvor die Farbe Grün gezeigt wurde (Ablehnung Hypothese 2). Möglicherweise liegt hier nur ein marginal signifikanter Unterschied zwischen Grün und Rot vor, da die intuitiven Reaktionen auf die Farbe Rot bei der insgesamt langsameren „Stopp“-Reaktion durch reflexive Prozesse abgeschwächt und somit verlangsamt werden. Davon abgesehen wurde der Unterschied der Fehlerraten in Reaktion auf die „Stopp“-Targets signifikant: Nach roten Primes erfolgten weniger Fehler als nach grünen Primes (Bestätigung Hypothese 4). Diese Effekte könnten ebenfalls auf die starke Assoziation von Grün und Sicherheit sowie Rot und Unsicherheit zurückzuführen sein (Pravossoudovitch et al., 2014). Auch hier manifestiert sich die Bedeutung der Farbe Grün als Sicherheitssignal gegenüber anderen Farben, da die Fehlerraten bei „Stopp“-Wörtern nach grünen Primes höher ausfielen als nach blauen oder orangen Primes.

Eine abschließende deskriptive Betrachtung der Farben Orange und Blau ergab, dass sie für die Messung der Baseline durchaus geeignet waren. Bezüglich der Reaktionszeiten ergaben sich nach Orange und Blau in der „Stopp“-Bedingung höhere Reaktionszeiten als nach Rot und in der „Los“-Bedingung höhere Reaktionszeiten als nach Grün. Bezüglich der Fehlerraten ergaben sich nach Orange und Blau in der „Stopp“-Bedingung höhere Fehlerraten als nach Rot und in der „Los“-Bedingung höhere Fehlerraten als nach Grün (Bestätigung Hypothese 5). Dies bestärkt die Annahme, dass Orange und Blau weder mit  „Los“ noch mit „Stopp“ assoziiert sind, wie es auch gemäß ihres Gebrauchs im Straßenverkehr zu erwarten ist.

Limitationen. Die vorliegende Studie liefert anhand von Reaktionszeiten und Fehlerraten in einem sequentiellen Priming-Paradigma starke Evidenz dafür, dass die Farbe Rot mit „Stopp“-Wörtern und die Farbe Grün mit „Los“-Wörtern assoziiert ist. Lediglich die Assoziation von Rot mit „Stopp“-Wörtern anhand von Reaktionszeiten wurde nur marginal signifikant, was jedoch auf die Größe der Stichprobe zurückgeführt werden kann. Bei einer größeren Stichprobe wäre dieser Effekt vermutlich ebenfalls signifikant geworden. Einschränkend ist zudem der hohe Bildungsstand der Stichprobe zu erwähnen, wobei allerdings davon ausgegangen werden kann, dass die gefundenen Assoziationen auch bei geringerem Bildungsniveau gefunden werden können, da Personen aller Bildungsniveaus im Straßenverkehr unterwegs sind und somit entsprechende Assoziationen aufbauen können.

E. Fazit

Anhand der Ergebnisse der vorliegenden Studie kann von einer Eignung der Farbe Grün für eine Vordere Bremsleuchte ausgegangen werden, da Grün von den Probanden mit Wörtern einer Vorwärtsbewegung in Verbindung gebracht wurde und die Vordere Bremsleuchte die Handlungsbereitschaft für Verhalten wie Losgehen/Losfahren bahnen soll (vgl. Erregung, Mehrabian, 1978). Im Gegensatz dazu werden Wörter des Bremsens mit Rot in Verbindung gebracht, wodurch eine rote Vordere Bremsleuchte anderen Verkehrsteilnehmern signalisieren würde, dass sie anhalten sollen. Dies ist zum Beispiel bei herkömmlichen Bremsleuchten der Fall, die rückwertigen Fahrzeugen ein Bremsen signalisieren sollen, damit diese ebenfalls anhalten und es nicht zu einem Auffahrunfall kommt. In Verbindung mit einer Vorderen Bremsleuchte wäre dies jedoch kontraproduktiv. Aus psychologischer Sicht ergibt sich als Ergebnis dieser Studie, dass für eine Vordere Bremsleuchte die Farbe Grün anderen Farben wie Orange und Blau, aber insbesondere der Farbe Rotvorgezogen werden sollte.


Literatur

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  • Suk, H. J., & Irtel, H. (2010). Emotional response to color across media. Color Research & Application, 35(1), 64–77. doi:10.1002/col.20554
  • Valdez, P., & Mehrabian, A. (1994). Effects of color on emotions. Journal of Experimental Psychology: General, 123(4), 394. doi:10.1037/0096-3445.123.4.394
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  • Journal of applied psychology, 38(6), 432. doi:10.1037/h0062181
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